Suche

Sonntag, 26. Mai 2013

Der große Gatsby


The Great Gatsby
USA 2013

Regie: Baz Luhrmann
Darsteller: Leonardo Di Caprio, Tobey Maguire, Carey Mulligan, Joel Adgerton u.a.

Manche Menschen glauben, dass die Zeit zyklisch verläuft, dass sich Geschehenes - immer und immer wieder - wiederholt, dass bestimmte Tendenzen, bestimmte Kulte, bestimmte Entscheidungen in zyklischen Abständen auftreten, welche immer kürzer werden, wie auf einer Spirale, in dessen Mitte - etwas Ungewisses liegt, und wir alle steuern hilflos drauf zu, verdammt, unsere Fehler immer wieder zu begehen, oder doch: Gesegnet, unsere Heldentaten immer wieder zu vollbringen?

Manche Menschen hoffen, dass sich Vergangenheit wiederholt, dass all die Entwicklungen, die seit einer Fehlentscheidung getroffen wurden, nur dazu führen, dass diese, nach Jahren, wieder behoben wird, dass das Glück, welches einem damals entging, wieder an einem vorbeischwebt und man es dieses Mal auch greifen kann. Ihre Hoffnungen können im Stillen getragen werden, doch können sie auch ausbrechen, eskalieren, so sehr, dass sie auch andere Menschen mitreißen, die, unbewusst der Gründe der Eskalation, der sie sich hingeben, jene noch weiter nach oben treiben.

Manchmal wiederholt sich Vergangenes, findet Jahrzehnte, Jahrhunderte später wieder statt, in anderen Tönen und doch mit denselben Gefühlen - Empfindungen - Einstellungen. Man kann es erkennen, wenn man die Zeitebenen übereinander legt und feststellt, dass die Formen dieselben sind, dass das Heute auch ein Gestern gewesen ist, dass unsere Gegenwart in manchen Aspekten unsere Vergangenheit und unsere Zukunft ist. Dann können wir durch die ganze Menschheitsgeschichte durch - saufen, tanzen, feiern, bis die Welt von unserem Gegröle auseinanderbricht.

Doch manchmal ist Vergangenheit tatsächlich - Vergangenheit, und nichts wird diese wieder aufwecken können, egal, wie sehr wir uns anstrengen, egal, ob wir die Welt in Prunk ersaufen lassen, egal, ob wir zu Legenden werden, egal, ob wir Sekunde für Sekunde hoffen und alles unser Tun nur diesem einen vergangenem Moment widmen, um ihn wieder greifen zu können. Dann können wir schreien, die Welt um uns zerreißen, alle mitsamt sich selbst verfluchen - bis uns der eigene Fluch trifft.


7

Freitag, 17. Mai 2013

Life in a Day


Life in a Day
USA 2011
Regie: Kevin Macdonald u.a.

Eigentlich DER Film der "Seht her, ich lebe auch! liken und kommentieren, please :)"-Generation.
Schaut her, der wacht gerade auf, voll ulkig und so.
Und auch beim Pinkeln bleibt die Kamera an.
Und wenn ich und mein Sohn der toten Mutter "Hallo" sagen (im Fischaugenobjektiv, damit die Wohnung noch beengter aussieht als sonst - MIKROkosmos, baby!).
Essen und dann auf die Arbeit und das in einer Egoperspektive zu Dingen, die du selbst jeden Tag siehst.
Ich zeige, dass ich glücklich bin, keine Angst davor haben zu müssen, dass meine Frau Krebs bekommt - weil sie ihn schon hat.
Und ich zeige, wie ich meiner Großmutter erzähle, dass ich Männer doch mehr mag als Frauen - ach Omi, "Homosexuelle" sagt doch kein Mensch mehr!
Und ich zeige, wie sich all meine Hoffnungen auf ein zweites Date in Nichts auflösen - aber hey, ich kann noch lächeln, also war und ist es doch nicht so schlimm.
Und ich dance auf der LoveParade, weil es! geil! ist! und meine Kamera läuft auch dann weiter, wenn alle laufen und keinen Platz dafür haben.
Und ich fahre mit dem Fahrrad durch die Welt, damit Korea irgendwann EIN Land ist.
Und währenddessen werden irgendwo Tiere geschlachtet und Familien leben mit neun Personen in fünf Quadratmetern und wenn sich dir der Magen umdreht - gut so, das gehört alles dazu!
Weil Film nicht nur Kunst, sondern auch Kommunikationsmittel ist.
Weil wir jedes Mal hoffen, dass etwas Besonderes passiert, und dann merken, dass alleine diese Hoffnung besonders genug ist, um uns durch die Tage zu tragen.
Weil wir wollen, dass jedes Fünkchen unseres Lebens von jemand anderem beachtet wird.
Weil wir glauben, dass diese Fünkchen es wert sind.
Und weil sie es tatsächlich sind. 


Man könnte sich dabei fast wie ein Voyer fühlen, aber hey: Das ist doch alles freiwillig.
Und so wunderbar echt.
Eigentlich DER Film für kleine sentimentale Schneuznasen wie mich.
Aber auch: uneingeschränkt empfehlenswert.
Weil wir leben. 


8

Mittwoch, 15. Mai 2013

Die dritte Generation


Die dritte Generation
Deutschland 1979
Regie: Rainer Werner Fassbinder
Darsteller: Eddie Constantine, Hanna Schygulla, Volker Spengler, Margit Carstensen, Günther Kaufmann, Udo Kier, Vitus Zeplichal, Bulle Ogier u.a.

Es gibt Filme, bei denen reicht ein Satz aus der Storybeschreibung oder auch ein winziges Zitat aus dem Drehbuch, um die Erwartungen in ungeahnte Höhen schellen zu lassen.
Und wenn man sie zu schauen beginnt und im letzten Moment seine absurden Erwartungen zurückstellt, um nicht doch enttäuscht zu werden, und einen Schokocroissant in die Hand nimmt, um dem erwarteten Ungeheuer mit der nötigen Gelassenheit gegenübertreten zu können, da macht der Film etwas, was einen den Croissant auf halbem Wege zum Mund in der Luft stecken bleiben lässt.
Und zieht es nicht einmal die gesamte Laufzeit durch, sondern schafft es, sich zunehmend zu steigern, bis seine Absurdität die der vorangegangenen Hoffnung erreicht, sie sogar noch um Meilen übertrifft.



Es beginnt mit pulsierenden Anfangscredits, auf die Gaspar Noé neidisch sein könnte, und es endet, wie ein guter Lynch-Film endet: Im (scheinbar!) absoluten Chaos, inhaltlich wie stilistisch wie inszenatorisch, und doch einer eigenen, bitterbösen und furchtbar ehrlichen Logik folgend, welche, ist man in der Lage, sie zu begreifen, einem für kurze Zeit und mit langer Nachwirkung den verrotetten Kern der Welt vor Augen führt.
Dazwischen liegt Gott alias Fassbinder und tut nichts anderes, als den Zuschauer auf der einen Seite zu verwöhnen und ihm auf der anderen Seite die Sichtung zur Hölle im Bildschirm zu machen.
Da gibt es großartige Darsteller - Volker Spengler und Margit Carstensen und Vitus Zeplichal und die kälteste und schönste Frau, die je von einer Kamera betrachtet werden durfte (Hanna Schygulla) - und es gibt Szenen, in denen man durch eben diese vor den Kopf gestoßen wird, durch wildes Geschreie und niemals nachvollziehbare Ausrufe.
Und es gibt scharfsinnige Dialoge, die in die Unendlichkeit scheinen - welche durch die permanente Kakofonie aus Radio- und Fernsehansagen, verstörend-widerliche Hintergrundgeräusche aus dem Nichts und plötzlich auftauchende Musikuntermalung kaum zu hören sind und keine Konzentration der Welt kann einem aus dem überbrodelnden akustischen Chaos befreien.
Ein Chaos, welches nicht Selbstzweck, sondern vielmehr Blick in eine Zukunft, welche vor Informationsübergewicht nicht mehr dazu in der Lage ist, Informationen zu filtern. (wer Chuck Palahniuks Lullaby gelesen hat, weiß, was ich meine)



Es gibt Anklänge an den Film Noir, wundervoll melancholisch, und Brüche, mittendrin, Ausbrüche unbarmherziger, ekelerregender, verstörender Gewalt, wie man sie niemals erwartet hätte.
Und doch bleibt Die dritte Generation in ihrem Herzen, wie schon zu Beginn angekündigt, "Eine Komödie in 6 Teilen um Gesellschaftsspiele voll Spannung, Erregung und Logik, Grausamkeit und Wahnsinn, ähnlich den Märchen, die man Kindern erzählt, ihr Leben zum Tod ertragen zu helfen".


Eine Satire als Tragödie, die nichts anderes tut, als sich selbst auszulachen.


Terroristen als Farce auf zwei Beinen, die sich bei ihren sinnlosen Missionen in die Hose pinkeln vor Angst, die sich als Zirkusleute verkleiden, um dem großen und grausamen Zirkus BRD gerecht zu werden, die nichts wissen, aber alles tun, um...um...um...
Und im letzten Bild, im letzen Lächeln, dort steckt trotz all der Anarchie, welche am Schluss einem Gehirnmassaker gleicht, trotz all der Ironie und des Sarkasmus, in diesem Lächeln steckt doch mehr an politischem und medialem Weltschmerz, als Network und Brazil zusammen beinhalten. 


In Alan Moores From Hell wird angedeutet, dass Jack the Ripper das 20. Jahrhundert geboren hat.
Nach Fassbinders vielleicht größtem Zuschauerfeind "Die dritte Generation" möchte man behaupten, dass die RAF und ihre Möchtegern-Nachfolger das 21. Jahrhundert geboren haben.
Wer das Vorwissen aus der ersten Unterhaltung von Peter Lurz und August - "...da hat das Kapital den Terrorismus erfunden, um den Staat zu zwingen, es besser zu schützen..." - während der gesamten Sichtung im Hinterkopf behält, wird mir vielleicht zustimmen.


Wahrhaftig ein Mephisto von einem Film. Fassbinder selbst sagte dazu: "Ich werfe keine Bomben, ich mache Filme." Fragt sich nur, was davon schmerzvoller ist. 

10

Dienstag, 14. Mai 2013

Ich will doch nur, dass ihr mich liebt


Ich will doch nur, dass ihr mich liebt
Deutschland 1976
Regie: Rainer Werner Fassbinder
Darsteller: Vitus Zeplichal, Elke Aberle, Alexander Allerson, Erni Mangold, Johanna Hofer u.a.

Eingefangen auf zwei Seiten, visuell durch die Fassbinder-typischen Spiegelungen und trennende Schnitte in den einzelnen Einstellungen selbst, emotional durch eine dominante Mutter, deren Liebe unmöglich zu erkämpfen, und einen alles andere als besseren Vater, kämpft sich Peter (perfekt besetzt und vollends überzeugend: Vitus Zeplichal) aus einem glücklosen Leben in ein Leben, wo er wenigstens anderen Glück schenken kann. Natürlich erfolglos: Ein mit eigenen Händen erbautes Haus für seine Eltern bringt nicht die erhoffte Belohnung, und die Geschenke für seine Frau haben keine gute Beziehung zu seinem Budget. Ein Teufelskreis aus Komplexen, Sorgen und Überarbeitung wird langsam zu einer teuflischen Spirale, die in der Mitte ein grausames und doch nachvollziehbares Ende bereithält. 

Basierend auf einer wahren Geschichte (!) - inklusive originaler Verhörprotokolle (!) - malt Fassbinder einen brutalerweise zu empathischen 4:3-BRD-Fast-Mittelschicht-Albtraum (Drehzeit: 25 Tage!) in kaum halbmöblierten Räumen und verregneten und verweinten Straßen und "freut" sich dabei über die Parallelen zu seinem eigenen Leben - oft kritisiert, selten verstanden, aber: "Ich will doch nur, dass ihr mich liebt". Verzweifelt, fatalistisch und fatal - unbehagliches und (fast) zu Tränen rührendes Kino von Menschen über Menschen für Menschen.
Und nein, das kann man eben nicht über jeden Film sagen, damals nicht und heute schon gar nicht. 


8

Jackie Brown


Jackie Brown
USA 1997
Regie: Quentin Tarantino
Darsteller: Pam Grier, Samuel L. Jackson, Robert Forster, Robert de Niro, Bridget Fonda, Michael Keaton, Chris Tucker u.a.

Tarantinos Vorliebe für lange Einstellungen und sein Riecher für eine perfekte Besetzung kreieren aus der verwobenen Krimistory lupenreines Darstellerkino, in welchem (fast) jeder Beteiligte die Möglichkeit(en) erhält, seiner Figur die nötigen Nuancen und den nötigen Charakter zu verleihen. Es wird - wie gewohnt - viel geredet und doch sagen die Gesichter manchmal und zum Schluss immer öfter mehr als die Worte - Emotionen sind hier nie Behauptung und nur in den seltensten Fällen Teil der Dialoge, sondern in der von der Kamera präzise eingefangenen Mimik vorzufinden (was auch das Ende, wenn Pam Grier ihre Lippen synchron zu "Across the 110th Street" bewegt, zu einem der Highlights des Films macht). Die in Echtzeit inszenierte, dreifach präsentierte Einkaufszentrum-Szene ist demnach logischerweise nicht nur ein Ergebnis des (im Voraus geschickterweise nie vollständig erklärten) Plans, sondern das Ende einer lange Beziehungs- und Reaktionskette, mit ihren eigenen kleinen und großen Eskalationen. Ein (zu Beginn etwas zu) gemächlich erzählter, weitesgehend subtiler, überraschend menschlicher und reifer Film zum Zurücklehnen und Genießen - und ein früher und scheinbar oft übersehener Beweis dafür, dass Tarantino auch die Kunst der filmischen Zurückhaltung zu beherrschen vermag. Mit maximaler Wirkung, selbstverständlich. 

P.S.: In den Credits taucht am Ende der "THANKS TO"-Reihe die Spalte "Sam Fuller - for EVERYTHING" auf, by the way. 

8

Amer - Die dunkle Seite deiner Träume


Amer
Frankreich/Belgien 2009
Regie: Hélène Cattet, Bruno Fornazi
Darsteller: Marie Bos, Delphine Brual, Harry Cleven, Bianca Maria D'Amato u.a.

Eine wundervolle Zumutung, schmerzhaft in die Länge gezogen und dadurch für den Zuschauer fast so quälend wie für die Protagonistin. Ein morbider, beinahe ekelerregender Alptraum im Auftakt, ein sinnliches Knistern im Mittelteil, wo man jeden Windzug zu spüren glaubt, und eine brutale Eskalation im Schlussteil, die als logische Folge von psychologischer Entwicklung bestimmt funktioniert, aber als entfesselte Hommage an blutige Morde, in schwarzen Handschuhen und mit schwarfen Klingen verübt, mindestens im ersten Moment besser wirkt. Der Soundtrack - mit der Virtuosität eines Tarantino zusammengeklaut - verleiht dem Film gefühlt die Hälfte seines Charakters plus sorgt im Abspann dafür, dass sich das eben Gesehene fest ins Gedächtnis einbrennt. Natürlich ist Amer Style over Content, natürlich ist er viel zu lang, natürlich schreit er in jeder Einstellung "Ich bin Kunst, bitches!" Aber seine Art, sich sowohl der Physis wie auch der Psyche seiner Protagonistin in jeder Sekunde mit einer solch beängstigender Intimität anzunähern, macht ihn zu einem verdammt intensiven Filmerlebnis, welches mächtig auf den Magen schlägt. 

8

Gandu - Wichser


Gandu
Indien 2010

Regie: Kaushik Mukherjee AKA Q
Darsteller: Anubrata Basu, Joyraj Bhattacharya, , Rii u.a.

Quasi der filmgewordene Network-Ausruf "Ihr könnt mich alle am Arsch lecken, ich lass' mir das nicht länger gefallen!" Oder eine Art An Indian Film Natürlich ist es für uns, hier, nicht immer leicht nachzuvollziehen, dass die gewohnt scheinenden Gesten woanders einer Rebellion gleichkommen, aber man kriegt ja schließlich noch die Raptexte ins Gesicht gebrüllt und die Übersetzung grad hinterhergeworfen und dann fußt die latente Wut nicht nur auf der Ereignislosigkeit der trostlosen Bilder in trostlosen Farben. Später soll diese Ereignislosigkeit noch umschwingen, soll ins komplette Gegenteil fließen, als Ausbruch, als Traum vom Ausbruch, als Traum von Karriere, von "etwas werden" in einer Welt, die hier in wenigen Minuten ein besseres Porträt auf den Bildschirm geklotzt bekommt, als es ein verdrehtes Slumdog Millionaire innerhalb seiner ganzen Laufzeit kreieren könnte. Können wir da mitfühlen? Ja, können wir, weil uns die Inszenierung mit ihren Kniffen keine andere Chance lässt und irgendwann, gegen Ende, merkt man: Die Kamera ist ja schon die ganze Zeit leider zu geil. Und dann Gehirnmassage mit Laufschrift, mit Schnittmassaker, mit BÄM! ins Gesicht der vierten Ebene, mit Eskalation, mit Erlösung, mit Rausch, mit plötzlichem Schluss. Gandu ist Kontextkino, klar, ohne den Kontext ein seltsames Ungeheuer, eine Bukkakeparty fürs Gehirn, ein großes "...was war das?!" (während der Sitznachbar grinst und meint "Lustiger Film"), ein Mindfuck in den Grenzen des rappoetischen Postrealismus, aber als ob es hier Grenzen gäbe? Nein, das ist kein Überfilm, kein Meisterwerk, kein absolutes Sontwasauchimmer, aber es ist ETWAS. Etwas Einzigartiges, schwer Fassbares, Unvergessliches, Krasses, Sehenswertes, Weiterempfehlenswertes (für die, die sich an Extremen laben, auch wenn diese Extremen ihnen das Hirn zermartern). Etwas irgendwie Geiles. 

Du willst eine Wertung? Wichs dir doch eine. 

Rango


Rango
USA 2011

Regie: Gore Verbinski
Sprecher (Original): Johnny Depp, Isla Fisher, Abigail Breslin, Ned Beatty, Alfred Molina, Bill Nighy u.a.

"Go to hell!" - "Where do you think I came from?"

Ein grandioser Anfang, eine ausgewogene Mischung aus wahnwitzigem, entfesseltem Slapstick, welcher dem Wort eine gewisse Würde (wieder-)verleiht, feinem Filmzitatwitz und großartigem schwarzen Humor, eine mit Ironie und doch auch mit Überzeugung präsentierte Geschichte und das alles unterlegt (oder doch überstichen?) mit Musik, die Spaß und Coolness stets in eine Symphonie der puren Filmfreude zu vermengen weiß (Grüße an Hans Zimmer). Rango mag mittendrin ein wenig hängen und auch der Showdown hätte zugegeben etwas wilder ausfallen können, aber darüber sehe ich so gerne hinweg, wurde ich doch seit gefühlten Monaten nicht mehr so gut unterhalten. Stellenweise pure awesomeness, die einem Freudestränen in die Augen treibt, doch überraschenderweise hin und wieder mit einem angenehmen Ernst, in einer wundervollen Geschichte quasi um einen Schauspieler, der in seiner verzweifelten Überlebensperformance plötzlich eine Über-Leben-Performance abliefert und dadurch zum Helden wird. Wäre er nicht so heftig, wär's ein toller Kinderfilm (da ist der höher eingestufte Die Legende der Wächter wesentlich zahmer), so ist es ein toller Film, um sich wieder ein wenig wie ein Kind zu fühlen, das eigentlich viel zu brutale Western schaut, und das ganz ohne befürchtete Lächerlichkeiten oder Fremdschämmomente oder aufgesetzte Emotionen. Verbinski hatte ja bereits mit dem unfassbar unterschätzten Pirates of the Caribbean: At World's End bewiesen, dass er dem Mainstreamkino einfach mal so Härte und Surrealismus andrehen kann, aber Rango, Rango ist eine Perle, ein Geschenk, ein wahrer Triumph. Und der Soundtrack erreicht beinahe Perfektion. 

8

Bad Lieutenant


Bad Lieutenant
USA 1992
Regie: Abel Ferrara
Darsteller: Harvey Keitel, Frankie Thorn u.a.

Vielleicht ist das Ganze ja doch ironisch gemeint und Ferrare hat sich nur das Augenzwinkern am Schluss gespart, um den Zuschauer noch mehr in die Irre zu führen, aber das möchte man angesichts Keitels völliger Hingabe seiner gefallenen und stets weiterfallenden Figur nicht glauben. Eines der Werke, die völlig vom Hauptdarsteller getragen werden und dieser ist auch der Grund, wieso Bad Lieutenant nach der Sichtung nicht in Vergessenheit gerät: Keitel unterwirft sich völlig seiner Figur, wird zum willigen Sklaven dessen Wut und Lächerlichkeit. Das ist beeindruckend und hallt nach, aber der Kontext seiner Reise durch die innere Hölle lässt zu wünschen übrig: Hier und da einen Jesus einbauen macht noch keinen religiösen Kontext, ein Satz bezüglich Vergebung macht noch keine Läuterung. Es bleibt der bittere Nachgeschmack, dass der Auslöser reine Behauptung, die Wende reine Posse ist - seitens des Films, nicht des Protagonisten. Denn so stark Keitel den Film führt, so schwach führt der Film ihn, in ein Nichts, dessen Bedeutung zwischen halbherzigen Andeutungen und wenig sinnhaften Ideen begraben bleibt. Schade - und dennoch möchte man von einer Sichtung nicht unbedingt abraten. 

5

Die Festmusik von Gion


Gion Bayashi
Japan 1953
Regie: Kenji Mizoguchi
Darsteller: Ayako Wakao, Seizaburô Kawazu u.a.

"Ihr seid Kunstwerke!" wird den angehenden Geishas zu Beginn des Films von einer alten Frau mit auf ihren Weg gegeben. Ein Weg der Abhängigkeit, das steht von Anfang an fest - dass es letztlich eine körperliche ist und "Geisha" zum edleren Begriff für eine eigentliche Prostituierte verkommt, mag man als Zuschauer schnell befürchten. Die sechszehnjährige Eiko, deren Mutter (selbst eine bekannte Geisha) verstirbt und dessen Vater sich wegen Geldproblemen weigert, sie zu unterstützen, wird diesen moralischen Abstieg im finanziellen Aufstieg auf schmerzhafte Weise erfahren müssen. Auch die ihr freundlich gesinnte Miyoharu kann das kaum verhindern und wenn beide Frauen versuchen, der jeweils anderen in ihrer Lage zu helfen, kann dies nur durch Selbstaufopferung funktionieren. Am Schluss gilt es somit für beide, sich der Situation schweigend anzupassen, um nicht noch tiefer zu fallen. "Dreistigkeit" findet eine filmische Definition in der Rückkehr des Vaters, welcher zwar früher nicht für seine Tochter sorgen wollte, aber davon ausgeht, an ihrem Geld teilhaben zu können. Immerhin weiß sich Eiko zu wehren, als sie zum ersten Mal zum Sex genötigt wird: Ein kurzer, angenehm schmerzvoller Rachemoment in einer Welt, wo Frauen die soziale Pyramide nur nackt und ergeben und selbst dann nur wenige Stufen nach oben erklimmen können. Ein ruhiger, trauriger und an einigen Stellen wütend machender Film, der zumindestens einer Freude beherbergt: Fünf Werke dieses tollen Regisseurs warten noch auf eine Sichtung und ich rede nur von denen in meinem "Besitz". 


 __________
- Mizoguchi porträtierte hiermit die tatsächliche Entwicklung des Geishabegriffs im Japan der 50er. Der gute Mann hatte generell viel Kontakt zu den Vertreterinnen des Gewerbes und ließ sie gerne ihm ihre Erfahrungen berichten. 

7

Montag, 13. Mai 2013

Ugetsu - Erzählungen unter dem Regenmond


Ugetsu Monogatari
Japan 1953
Regie: Kenji Mizoguchi
Darsteller: Masayuki Mori, Machiko Kuô, Kinuyo Tanaka u.a.

Es beginnt mit großen Ambitionen, welche schnell von Kriegswirren überrollt werden, und die Bilder des ländlichen Chaos sind die ersten, die sich einprägen (später sollen noch andere Einstellungen folgen, die sich unerbittlich ins Gedächtnis einbrennen). Es folgt Hoffnung, auf Reichtum und sozialen Aufstieg, denn zwei Männer wollen mit dem Verkauf von Krügen und Töpfen ein gutes Geschäft machen: Der eine will endlich ein reicher Mann sein, der andere sich eine Rüstung kaufen und zum Samurai werden. Dass ihre Frauen sie vor den Gefahren warnen, ist ihnen egal, und so siegt hier der menschliche Drang nach Aufstieg mal wieder über die Angst vor dem möglichen Fall. Die Konsequenzen der Taten werden den Männern noch bewusst werden, aber dann wird es hier und da schon zu spät sein...

Ugetsu ist ein unsteter Film, so unstet wie die Geschichten seiner Figuren, doch dies ist nicht als Nachteil zu werten: Der Wechsel zwischen den Stimmungen ist so fließend wie im echten Leben und selbst die übernatürlichen Anklänge werden so bodenständig wie nur möglich serviert - so bodenständig, dass man sie zunächst gar nicht als solche erkennt. Um die Genrewechsel spinnt Mizoguchi zutiefst menschliche, oftmals bedrückende und schmerzhafte Geschichten um (Selbst-)Verführung und Verrat, Verzweiflung und Verfall, Verurteilung und Vergebung. Der Film schreckt nicht vor verstörenden Momenten zurück, einerseits Momenten, in denen den Figuren die Konsequenzen ihres Handelns bewusst werden, andererseits Momenten, welche die Auswirkungen von Krieg zwar kurz, aber abstoßend prägnant in Bilder und Geräusche bannen. Und doch gibt es auch wirklich Passagen voller Schönheit, beinahe hypnotisch, und auch dem Schluss liegt eine gewisse Wärme, eine gewisse Versöhnlichkeit zugrunde. Die letzte Einstellung scheint, nach all den Wirren der letzten Zeit, ganz schlicht und ruhig festzustellen: Was auch passiert, irgendwie müssen wir alle weitermachen. 
__________
- Gibt's als Teil der Late Mizoguchi-Box von Masters of Cinema (wahlweise auf DVD oder Blu-ray) mit sieben weiteren guten bis großartigen Filmen und dicken Booklets.
Weiterschauen: Rest von Mizoguchis Filmographie (weil zu unbekannt), Kwaidan (Nasaki Kobayashi)

9